Über das Projekt
Gute Qualität bei Kleinstkindern sichtbar machen
Aufgrund von gesellschaftspolitischen Veränderungen wächst zunehmend der Bedarf an institutionellen Kinderbildungs- und -betreuungsplätzen für Kinder in den ersten Lebensjahren (OECD, 2016). Pädagogischen Fachkräften obliegt die Verantwortung, die ihnen anvertrauten Kinder in ihrer physischen und psychischen Entwicklung bestmöglich zu begleiten. Aus Studien ist bekannt, dass mit einem professionellen und vor allem qualitätsvoll gestalteten pädagogischen Setting zu vermehrter Chancengerechtigkeit beigetragen werden kann (Walter-Laager & Meier Magistretti, 2016; Viernickel & Fuchs-Rechlin, 2016).
„Pädagogische Qualität in einem Kindergarten (oder einer anderen pädagogischen Umwelt wie z.B. Familie, Krippe, Kindertagespflege) ist dann gegeben, wenn die jeweiligen pädagogischen Orientierungen, Strukturen und Prozesse das körperliche, emotionale, soziale und intellektuelle Wohlbefinden und die Entwicklung und Bildung der Kinder in diesem Bereich aktuell wie auch auf Zukunft gerichtet fördern und die Familien in ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgabe unterstützen“ (Tietze, 2008, S. 17).
Ergebnisse von Studien weisen auf, dass die Qualität der bildungsunterstützenden und sozialen Aspekte der Fachkraft-Kind-Interaktion eine wesentliche Rolle in der Gestaltung einer entwicklungsförderlichen Umgebung von Kindern spielt (Pianta, 2017).
Professionelle und damit entwicklungsanregende und gesundheitsförderliche Pädagogik für Kinder in den ersten drei Lebensjahren muss so gestaltet werden, dass sie dem jeweiligen Entwicklungsstand der Mädchen und Jungen entspricht.
Ausgangspunkt für positive Interaktionen sind - insbesondere bei Kindern in den ersten Lebensjahren - tragfähige, positive soziale Beziehungen. Diese werden in den ersten Wochen der konzeptionell verankerten Eingewöhnung aufgebaut (Viernickel, 2009) und während der gesamten Zeit in der Einrichtung vertieft und gepflegt (Walter-Laager, Pfiffner & Fasseing Heim 2017).
Neben bindungsrelevanten Aufgaben von pädagogischen Fachkräften wie beispielsweise Zuwendung, Sicherheit und Stressreduktion, müssen pädagogische Fachkräfte Kindern ebenso Explorationsunterstützungen und Assistenz bei der Bewältigung des pädagogischen Alltags geben (Wadepohl & Mackowiak 2016). Die durch die Fachkraft initiierten Anregungen sollten jeweils in der Zone der nächsten Entwicklung liegen (von der Beek, 2010; Becker-Stoll, Niesel & Wertfein, 2015).
Die formulierten Ansprüche sind maßgeblich für das Vorgehen in der hier zugrundeliegenden Good-Practice-Studie „Gute Qualität in der Bildung und Betreuung von Kleinstkindern sichtbar machen“. Im Fokus des Projektes stehen gute Interaktionen in der institutionellen Bildung, Betreuung und Erziehung von Säuglingen und Kleinstkindern (von null bis zwei Lebensjahren) in Österreich und in der Deutschschweiz.
Anhand einer Literaturrecherche und basierend auf den im deutschsprachigen Raum publizierten Qualitätschecklisten zur Bildung und Betreuung von Kindern zwischen 0-2 Jahren, wurden die vorliegenden Good-Practice-Kriterien für Interaktionsqualität im institutionellen Setting von Kindern unter drei Lebensjahren ausgearbeitet. Dabei wird das Kriterium „Vielfalt berücksichtigen“, welches beispielsweise durch das Aufgreifen der sprachlichen, kulturellen und individuellen Verschiedenartigkeit der Kinder in Bildungssituationen und durch die Berücksichtigung der heterogenen und familiären Bedürfnisse der Kinder äußert, nicht eigenständig ausgewiesen. Es sollte aber als pädagogisch-professionellen Grundhaltung von elementarpädagogischen Fachkräften im Alltag immer präsent sein.
Vielfalt zeigt sich in unterschiedlichsten Dimensionen wie Gender, Kultur, Alter, Milieu, Disability/Ability, sexuelle Orientierung, Sprache oder Religion. Für die pädagogische Praxis ist festzuhalten, „dass Kinder immer verschiedenen Gruppierungen zugleich zugehören“ (Prengel, 2014, S. 43). Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsinstitutionen sind Schmelztiegel, in denen sich die sozioökonomische, kulturelle und sozialpolitische Heterogenität widerspiegelt. Pädagogische Fachkräfte und Kinder erfahren täglich, dass es verschiedene Perspektiven, Wertvorstellungen und Deutungsmuster gibt (Oberhuemer, 2012). Um mit diesen Unterschieden professionell umzugehen, werden Strategien und respektvolle Thematisierungen benötigt. Zu vermeiden sind einerseits das Leugnen von Unterschieden und andererseits die Überbetonung derselben. Das Leugnen führt dazu, dass Kinder zwar Unterschiede wahrnehmen, sie aber keine Unterstützung bei der Benennung dieser erhalten bzw. Kindern vorgelebt wird, dass Abweichungen von der Norm nicht erlaubt werden. Genauso unprofessionell ist die Überbetonung der Unterschiede, da sie die Gefahr der Segregation mit sich bringt. Strategien zum Umgang mit Heterogenität müssen beide Aspekte inkludieren. Nämlich die Wertschätzung von Diversität und das Wahrnehmen und Abbauen von Vorurteilen bzw. Barrieren (Wagner, 2014).
Der ressourcenorientierte Ansatz und die diversitätssensible Wahrnehmung von Kindern ist ein wichtiger Grundstein Kinder individuell zu bilden und einen Beitrag zu gesellschaftlicher Toleranz und Wertschätzung zu leisten (Warnecke, 2012).